Die Zero SR/S ist ein E-Motorrad für alle Biker/innen, die neugierig sind auf Neues, die gerne mächtig Power unterm Hintern haben und Leistung gepaart mit Fahrkomfort zu schätzen wissen.
Fünf Tage hatten wir die elektrische Zero SR/S um sie ausführlich zu testen, Danke an Vertical World und Hanno Voglsam. Montagabend 17:30 ging es los, der Plan einer kleinen, gemütlichen Abendrunde hat uns 180 km bis nach Waidhofen/Ybbs geführt. Vom ersten Moment an entpuppte sich die Zero als solch ein spaßiges Gefährt, dass es uns unmöglich war, in den heimischen Stall zurückzukehren.
Fahren wie auf Wolken
Der Anfang war ungewohnt, primär aufgrund der fehlenden Kupplung und Schaltung. 100 km hat es gebraucht, bis sich zwei Finger der linken Hand nicht mehr permanent wie von selbst abgespreizt und die Kupplung gesucht haben. Der eine oder andere Phantom-Schaltversuch war wohl auch dabei. Das war aber schon das einzig irritierende, das Fahren dieses Motorrads besteht primär aus Gas geben und Bremsen – für beides bietet die SR/S hervorragende Voraussetzungen.
Elektrisch fahren gleicht einem sanften Dahingleiten mit einer Laufruhe, die bei 5km/h ebenso gegeben ist wie bei 130. Je stärker man am Gasgriff dreht, desto mehr schiebt die Zero an – dem technischen Datenblatt zufolge mit bis zu 190 Nm direkt am Hinterrad. Dabei ist sie nie unvorhersehbar oder aggressiv. Ein wenig mussten wir aufpassen nicht arrogant zu werden, waren wir uns doch schnell bewusst, dass einem in Sachen Beschleunigung kaum mehr jemand etwas vormachen kann. Man steht über den Dingen, ist immer vorne dabei und während an der Ampel andere noch den Gang einlegen, sind wir mit der Zero schon am Horizont verschwunden. Das Fahrverhalten lässt sich als kurvenbegeistert und feinfühlig beschreiben, das Vorderrad bietet gute Rückmeldung über den Untergrund. Die angegebenen 110 PS sind zwar ein Spitzenwert, der nicht im durchgehenden Fahrbetrieb erreicht wird, das ist aber nicht negativ aufgefallen. Sie hat Power theoretisch ohne Ende – praktisch bis 200km/h, dann riegelt sie elektronisch ab.
Während der Fahrt navigiert man leicht durch das Menü, etwa um den Fahrmodus zu wechseln. Wir sind aus der Einstellung „Sport“ aber nur bei einer unfreiwilligen Regenfahrt herausgekommen. Eine eigene Erwähnung wert sind die Spiegel. Selten haben wir mit Motorradspiegeln so gut über die Schulter gesehen, ein Highlight.
Reichweite und Infrastruktur
Diesbezüglich ist ein Umdenken zum Benzinmotorrad nötig. Wo Verbrenner in der Stadt und im Stop and Go Verkehr mehr Treibstoff brauchen, beeinflusst bei der Zero primär der Luftwiderstand die Akkulaufzeit. Mit 130 km/h (niemals schneller natürlich) auf der Autobahn haben wir davon weit mehr und die Reichweite geht nach unten. Es zahlt sich aus, hinter dem Windschild ein wenig in Deckung zu gehen.
Waidhofen ist sich mit einer Akkuladung dank Umleitungen nicht ausgegangen, nach 165 km lag diese bei unter 10%. Um nicht in der Pampa liegen zubleiben hieß es, die ländliche E-Tankstellen-Infrastruktur zu erforschen. Dabei helfen einem unterschiedliche Apps, die bisweilen mit Vorsicht zu genießen sind. Die erste angefahrene Ladesäule war für betriebsinternen Gebrauch only, die zweite – etwas versteckt – bot dafür gratis Strom vom Lande Niederösterreich. Am Rückweg trafen wir auf eine ohne Zufahrtmöglichkeit nur für E-Fahrräder. Säule vier bot drei Schuko- und zwei Typ 2-Stecker – Zweitere funktionierten allerdings nicht. Es war eine kleine Pause nötig, um über den Schukostecker ein wenig Power in das Motorrad hineinzupumpen, dafür wieder gratis. Selbst dann in Klosterneuburg City war die Stromladung gratis. Erst in Wien mussten wir die Ladekarte zücken. In rund 75 Minuten ist die SR/S am Schnelllader von 0 auf 100% Akkuleistung. Am Schuko-Stecker dauert es knapp über fünf Stunden.
Das Gewicht liegt bei 229kg, da diese aber in Bodennähe herumgrundeln und der Schwerpunkt damit sehr tief liegt, ist das Handling der SR/S unkompliziert. Mit 787mm Sitzhöhe ist sie nicht die höchste, aber auch wir mit unseren 1,78m haben gut darauf Platz genommen.
Wenn man Mankos finden möchte…
Wir sind von diesem Wunderwerk der Technik begeistert, dennoch gibt es keine Rosen ohne Dornen. An vorderer Stelle steht der hohe Anschaffungspreis. Mit rund 20.000 Euro muss man rechnen, ohne Extras. Dafür ist die Versicherung mit knapp unter 50 Euro pro Jahr vernachlässigbar, 100km fährt man um rund zwei Euro und Servicekosten wie Ölwechsel etc. fallen weg.
Weiters ist es nicht empfehlenswert auf einem Hang stehen zu bleiben, wenn man vor hat beide Hände zu brauchen und nicht auf der hinteren Bremse zu balancieren. Der Elektromotor bietet keine Möglichkeit einen Gang einzulegen und das Motorrad so zu fixieren. Was das Handschuhe anziehen nach einem kurzen Stopp am Hang herausfordernd machte.
Vorne unter der Tankattrappe gibt es Stauraum, der allerdings mit Verbandspaket und Schnellladekabel bereits gut gefüllt ist. Ein zweiter kleiner Stauraum unterm Sozius bietet kaum mehr Platz als für die Ladekarte und einen Snickersriegel für den nächsten Ladestopp.
Alles in allem war es eine großartige Erfahrung, die uns gezeigt hat, dass Auspuffgase und Motorenlärm nicht bestimmend sein müssen für das Fahrvergnügen. Bei höherem Fahrtempo hört man seinen V2 oder R4 ohnehin nur noch bedingt, die Power des Elektromotors bleibt hingegen.
Das Grinsen unterm Helm verschwand erst, als wir die Zero SR/S leider fünf Tage später wieder zurückgeben mussten. Müssten wir nicht beim hohen Preis doch etwas schlucken, würde sich wohl unser privater Fuhrpark in Kürze erweitern.
Wer noch mehr über Zero hören möchte, dem empfehlen wir den Moped Couch Talk mit Jerry Thomas von Zero.