2018 schrieb die Spanierin Ana Carrasco Geschichte. Als erste Frau in der Geschichte des FIM – des Motorradweltverbands – gewann sie auf ihrer Kawasaki einen FIM-Weltmeistertitel. Ein Jahr zuvor wechselte sie von der Moto-2 Klasse in die Supersport 300 WM und entschied mit einem beherzten Griff am Gas in Portimao/Portugal den allerersten weiblichen Sieg in einem WM-Rennen auf den buchstäblich letzten Metern des Zieleinlaufs für sich.
Groß waren die Fußstapfen nicht, in die sie damit getreten ist, sind Frauen im Spitzensport auf zwei Rädern doch von jeher irgendwo zwischen unterrepräsentiert und nicht vorhanden. Doch auch wenn der Motorrad-Spitzensport auf den ersten Blick wie ein reiner Männerverein aussieht, lohnt es sich, den vereinzelten aber stetigen Spuren doch einmal zu folgen.
1925 startete Mitzi Nahmer aus der Gegend um Krems erstmals auf einer BMW erfolgreich bei einem Rennen, weitere Bahn-, Berg- und Straßenrennen sollten folgen. Im Februar 1932 kämpfte sich Ilse Thouret mit ihrem Horax-Gespann fast 1200km weit über vereiste Landstraßen, um bei dem Wettbewerb Winterzielfahrt nach Berlin teilzunehmen und ganz knapp als Zweite ins Ziel einzufahren. In den 1930ern fuhr sie über hundert Auszeichnungen ein. Ebenfalls in den 1930ern war die Österreicherin Anny Deim als Renn- und Kunstfahrerin aktiv. Drei Frauen die exemplarisch stehen für frühe Pionierinnen auf zwei Rädern.
Der Rennsport ist seitdem schneller, das Material besser und die Rennen selbst sind weit anspruchsvoller geworden aber auch das Starterfeld hat begonnen sich zu differenzieren. Frauen mischen nach wie vor mit – oder sollte man sagen jetzt erst recht?
2001 fuhr die Deutsche Katja Poensgen erstmals in die Punkteränge in der Motorrad-WM. Heute sind Fahrerinnen vor allem in den kleineren Klassen anzutreffen, so wie die erst 17-jährige Beatrize Neida in der Supersport WM 300 oder Maria Herrera in der WM 600 im Jahr 2019. Und 2020 steht eine nächste Weltpremiere an. Die deutsche BMW-Pilotin Lucy Glöckner wird als erste Frau in der Superbike-WM antreten und versuchen, all die männlichen Stimmen, die eine Frau nicht für kräftig genug halten eine 1000er Rennmaschine zu fahren, Lügen zu strafen.
Auch den Asphalt verlassend werden wir fündig. Im Jänner ging die Dakar Rally zu Ende. Laia Sanz fuhr als schnellste Frau auf Platz 18 in der Gesamtwertung ins Ziel – von in Summe fast 100 Startenden. Seit 2014 ist die 13-fache Trial-Frauenweltmeisterin und 5-fache Enduro-Frauenweltmeisterin immer unter den besten 20 anzutreffen. Im Motocross Spitzensport fahren die Frauen seit 2005 in einer eigenen Weltmeisterschaftsklasse. Seit 2012 holte die Italienerin Kiara Fontanesi sechs von acht Weltmeistertiteln, 2019 trat sie nicht an und Courtney Duncan folgte ihr an der Spitze.
Auch bei dem legendären Straßenrennen Isle of Man Tourist Trophy sind Fahrerinnen vertreten. Die Britin Beryl Swain war die erste, die 1962 das Rennen als Einzelfahrerin auf dem 22. Platz beendete – nahezu ein Schock für die männlichen Organisatoren, welche die Ilse of Man als zu gefährlich für eine weibliche Solofahrerin erachteten und daraufhin ein Mindestgewicht für Fahrer erließen, das Swain nicht erfüllen konnte. So wurde aus dem möglichen Beginn einer internationalen Karriere auch gleich wieder ein Ende, aller Proteste zum Trotz. Heute hält die Britin Jenny Tinmouth den weiblichen Rundenrekord – übrigens ist sie auch die erste und bis dato einzige Fahrerin in der britischen Superbike Meisterschaft.
Und zu guter Letzt sei bei diesem exemplarischen Auszug noch Leslie Porterfield zu nennen. Sie wurde 2008 auf einer umgebauten Suzuki Hayabusa zur schnellsten Frau der Welt – mit fast 375 km/h.
Bis Frauen sich ebenso wie Männer flächendeckend im Motorrad-Spitzensport behaupten dauert es vielleicht noch, aber spätestens mit Ana Carrasco wurde der Welt klar, dass eine ernstzunehmende Veränderung begonnen hat.